Gedächtnis-Tuning mit der Chunking Methode
Du willst deinem Gedächtnis ein kleines Tuning verpassen? Dann probiere es mal mit der Chunking Methode. Was das ist und wie es funktioniert, erfährst du hier.
Letztes Update:
August 04, 2010
Veröffentlicht in
Biohacking & Performance
Gedächtnis-Tuning mit der Chunking Methode
Du willst deinem Gedächtnis ein kleines Tuning verpassen? Dann probiere es mal mit der Chunking Methode. Was das ist und wie es funktioniert, erfährst du hier.
Das Kurzzeitgedächtnis überlisten
Wenn man die drei Gedächtnisse graphisch als drei übereinander liegende Kästen darstellt, wobei die Breite eines Kastens dem jeweiligen Speichervermögen des betreffenden Gedächtnisses entspricht, so entsteht eine Form, die einen an eine Flasche erinnert. Der Flaschenhals der Flasche entspräche dann dem Kurzzeitgedächtnis. Und so ist es auch: das Kurzzeitgedächtnis stellt einen fatalen Flaschenhals beim Prozess des Lernens dar. Jegliche Information, die in das Langzeitgedächtnis kommen soll, muss diesen Gedächtnisspeicher passieren – und bei einer großen Datenmenge an Wissensstoff kann das immens lange dauern bzw. geht es kaum - wenn man es nicht richtig macht. Aber wie erweitern oder überlisten wir nun unser Kurzzeitgedächtnis? Im Jahr 1956 veröffentlichte der amerikanische Wissenschaftler George A. Miller seine umfangreichen Untersuchungen zum Speichervermögen des Kurzzeitgedächtnisses. Dabei wies er nach, wie ich ja schon geschrieben hatte, dass dessen Aufnahmekapazität auf 7 ± 2 Informationseinheiten beschränkt ist, die er auch Chunks (abgeleitet von dem engl. Wort „chunk“ für Brocken) nannte.
Was bedeutet "Chunk" oder "Chunking"?
Was bedeutet aber nun dieser obskure Begriff „Informationseinheit“ oder „Chunk“? Diese Frage lässt sich aber nicht exakt beantworten, da dies vom einzelnen Menschen abhängig ist: denn der kognitive Einsatz des eigenen Know-hows und der eigenen bisher gemachten Erfahrungen ist für die Chunkbildung von entscheidender Bedeutung; denn durch die Nutzung des Wissens im Langzeitgedächtnis können die Chunks deutlich mehr als nur aus einer Informationseinheit (Bit) aufgebaut sein. Dies lässt sich anhand von Beispielen besser verstehen: Die fünfstellige Zahl vom bereits beschriebenen Test zur Messung der Gedächtnisspanne war 3 0 1 8 5. Für die meisten Menschen stellt diese Zahl beim Lernen 5 Chunks dar: also 5 separate, in keiner Weise miteinander assoziierte Informationseinheiten. Für eine Person jedoch, für die die 30 ein besondere Bedeutung hat (vielleicht ist er oder sie ja gerade 30 Jahre alt geworden) und die 185 ebenfalls eine markante Zahl darstellt (vielleicht die eigene Größe von 185 cm) entspricht die 5stellig Zahl zwei einzelne Chunks und sind so viel leichter zu lernen. Versuche es nun selbst. Was könnte die 6stellige Zahl des Kurzzeitspeicher-Tests „140379“ bedeuten? Schon dieser mentale Prozess der Analyse eines neuen Lernstoffs (hier die 6stellige Zahl) und allein der Versuch der Nutzung des bereits vorhandenen Wissens führt zu erheblich verbesserter Lernleistung. Na, bist Du auf eine gute Lösung gekommen, oder hast Du gar mein „Chunkpaket“ entdeckt. Tja, die 6-stellige Zahl ist das Geburtsdatum von Einstein (nur die 18 - aber das ist ja klar - habe ich ausgelassen). Erkanntest Du diese Bedeutung der 6 Ziffern, so wäre dein Kurzzeitspeicher durch diese Information nur mit 1 Chunk belegt worden - also kein Problem für den Flaschenhals Deines Gedächtnis-Gesamtsystems!
Diesen Vorgang der Vergrößerung von Informationseinheiten bezeichnet man übrigens auch als Chunking. Daraus resultiert auch ein wichtiger Lerntipp: Wann immer Du etwas lernst: Nutze Dein bereits vorhandenes Wissen und Deine analytischen Fähigkeiten. Hierdurch vergrößerst Du die zu „verdauenden“ Informationsbrocken und beschleunigst damit automatisch den Einbau des Lernstoffes in Dein Langzeitgedächtnis; dadurch erreichst Du eine drastisch erhöhte Lerngeschwindigkeit! Im Übrigen bin ich wie viele Wissenschaftler der Meinung, dass man auch durch Training unser Kurzzeitgedächtnis kaum erweitern kann: also von den etwa 7 Chunks auf deutlich mehr zu kommen. Nur die Lerntechnik des Chunkings „trickst“ quasi die Begrenztheit unsere Kurzzeitgedächtnisses aus. Versuchen nun zur Übung bei der nächsten Aufgabe den obigen Lerntipp gleich einzusetzen. Du hast etwa 10 Sekunden Zeit, um Dir die folgende 20-stellige Zahl einzuprägen:
1 8 7 1 1 9 1 4 1 9 1 8 1 9 3 9 1 9 4 5
Ohne die Technik des Chunkings ist dies eine nahezu unmögliche Aufgabe; aber mit vollständigem Chunking fast ein „Kinderspiel“. Wir können ja mal die verschiedenen Chunking-Niveaus durchlaufen: Ohne historisches Wissen oder Erkennen gewisser mathematischer Strukturen liegen 20 Informationseinheiten vor - übrigens sind es noch wesentlich mehr Chunks, wenn man nicht einmal die Ziffern kennt und nur komplizierte Zeichensymbole darin sieht - eine ungeheure Aufgabe für jenen, der nicht lesen und schreiben kann (ich kann mich noch gut erinnern, was es für ein mühsamer Prozeß war, bis mein 4jähriger Sohn die 10 Ziffern einigermaßen „drauf hatte“). Erkennt man dagegen zumindest das mathematische Prinzip, dass jede zweite Doppelzahl eine 19 ist (bis auf die beginnende 18), so hat man nur etwa 13 Chunks zu memorieren. Erkennt man in den Zahlen geschichtliche Kriegsdaten, so reduzierte sich die Anzahl der Chunks weiter auf 5. Letztlich kann man die 20-stellige Zahlenreihe durch Krieg gegen Frankreich + Zeitraum 1 Weltkrieg + Zeitraum 2 Weltkrieg beschreiben – also durch 3 Chunks! Und diese Datenmenge geht in jedes Kurzzeitgedächtnis rein! Häufig sind wir durch die scheinbar fantastischen Leistungen von zum Beispiel Schachspielern, Ärzten, Managern oder Musikern verblüfft – doch im Grunde basieren diese Leistungen unter anderem auch auf kolossalem Chunking!
Tuning des Gedächtnisses durch Vergrößerung der Chunks
Nun kannst du lernen, dein Kurzzeitgedächtnis deutlich besser zu nutzen, indem du versuchst, größere Chunks (Informationseinheiten) aufzunehmen und zu verarbeiten. Dies wird durch eine anschauliche Analogie viel deutlicher: Stell´ Dir dazu einen länglichen Tisch vor, auf den du Bücher in einer Reihe nebeneinander hinlegen darfst. Nehmen wir mal an, dass auf diese Weise nur 7 Bücher auf den Tisch passen. Doch du möchtest mehr Bücher auf dem Tisch ablegen! Nur kannst du nun mal nicht den Tisch einfach verlängern; also was kannst Du noch machen? Natürlich, Du stapelst einfach mehrere Bücher aufeinander, so dass Stapel z.B. aus je 3, 5 oder 10 Büchern entstehen – und plötzlich kannst Du durch diesen „Trick“ oder diese „Technik“ auf dem Tisch bis zu 70 Bücher platzieren. Der Tisch ist noch derselbe (genauso wie dein Kurzzeitgedächtnis beim Lernen), nur hast du ihn jetzt wesentlich besser genutzt! Durch dieses Chunking im Kurzzeitgedächtnis können somit umfangreichere und besser strukturierte Informationseinheiten ins Langzeitgedächtnis gelangen und dort gespeichert werden. Dieser entscheidende Engpass, der durch das Speicher-limitierte Kurzzeitgedächtnis bedingt ist, wird damit verbessert. Und das Gute ist: Diese Chunking-Strategie ist relativ einfach anzuwenden. Zudem können wir dadurch mehr Wissen in den Langzeitspeicher befördern und durch die Bindung an bekannte Daten auch wieder schneller und sicherer abrufen – unsere Datenausgabe ist dramatisch verbessert (und die Anzahl fantasievoller Gedanken wird quasi als Nebeneffekt auch enorm verbessert!).
Voraussetzungen für die Chunking Methode
Im Grunde setzt die Chunking-Methode nur zwei Dinge voraus: Ein positives Verhältnis zu Informationen (ob nun in Form von Zahlen, Namen, Wörtern und sonstigen Daten) und Spaß am Suchen nach Analogien/Assoziationen – doch bin ich mir sicher, dass du durch die quasi unendliche Anzahl von Daten, die du bereits im Langzeitgedächtnis gespeichert hast, fast immer eine schöne Chunking-Möglichkeit „siehst“. Wie ist es zum Beispiel mit folgenden Zahlenkombinationen? 906090 entspricht immer noch den Idealmaßen eines weiblichen Models, 314 ist der Anfang der Kreiszahl Pi und 244 bleibt wohl noch lange Zeit die offizielle Höhe eines Fußballtores. Ferner können durch das Chunking erweiterte Informationspakete das Kurzzeitgedächtnis passieren und somit umfangreichere und besser strukturierte Informationseinheiten ins Langzeitgedächtnis einfließen. In Folge ist dieser entscheidende Informationstransportweg verbessert.
Im Endeffekt „Tunen“ wir unseren Langzeitspeicher, indem wir dort die eingehende neue Information durch unsere Techniken mit Hilfe des Einsatzes von Assoziation, Fantasie, Emotion, Logik etc. solider und mannigfaltiger verankern und zugleich umfassender und schneller abrufbar machen. Last, but not least wird natürlich mit der Zeit unser Wissenspool enorm vergrößert – unser eigentliches Ziel! Durch mehr Wissen, sichere und schnelle Abrufbarkeit und optimale Nutzung des eigenen Arbeitsspeichers wirst Du dann im entscheidenden Moment Deiner Umwelt (und auch dir!) mehr mitteilen können und letztlich sicherlich erstaunliche Erfolge erzielen.