Zu kaum einem Thema gibt es so viele Weisheiten und Sprichwörter wie zum Schlafen. Aber was ist dran an diesen Schlafmythen? Wir klären auf.

1. Warum ist Schlaf so wichtig?

Schlaf ist für uns Menschen überlebenswichtig. Während der Nachtruhe regenerieren wir uns schließlich auf allen Ebenen: Mental, körperlich und oftmals sogar emotional. Gleichzeitig finden verschiedene immunologische Prozesse sowie auch die Verdauung während des Schlafens statt. 


Bekommen wir mal zu wenig oder gar keinen Schlaf, spüren wir das meist unmittelbar am nächsten Tag: Es kommt zu Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und oftmals auch zu starker Gereiztheit. Kein Wunder also, dass es mittlerweile spezifische Forschungsinstitute gibt, die sich allein dem menschlichen Schlaf widmen. 


Obwohl wir also heute sehr viel über Schlaf wissen, grassieren über kaum ein anderes Thema so viele Mythen. Neben dem Klassiker „Schäfchen zählen hilft beim Einschlafen“ zählen dazu auch Redewendungen wie „Schlaf vor- oder nachholen“ oder Tipps wie „Immer mit geöffnetem Fenster schlafen“. Aber was ist eigentlich dran an diesen Schlafmythen? Wir zeigen dir, worauf es beim Schlafen wirklich ankommt.

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2. Die zwölf gängigsten Schlafmythen

1. „SCHÄFCHEN ZÄHLEN" HILFT BEIM EINSCHLAFEN

Ein Klassiker unter den Schlafmythen, der sich sehr hartnäckig hält. Dabei stellte ein Forscherteam der Oxford University schon vor fast 20 Jahren fest, dass der Mythos falsch ist.

Das Team um Allison Harvey und Susanna Payne beobachtete in einer klinischen Studie 50 Probanden mit sorgenbedingten Einschlafproblemen


Die Probanden sollten in mehreren Nächten vor dem Einschlafen mit unterschiedlichen Entspannungstechniken experimentieren. Das Ergebnis: Von drei Kontrollgruppen, die jeweils unterschiedliche Einschlafmethoden anwendeten, schlief die Schäfchen-Gruppe zuletzt ein [1]. 


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Mit 1 mg deines körpereigenen Hormons Melatonin verkürzt es deine Einschlafzeit - ganz natürlich!

It’s not magic - it’s melatonin! 

2. SCHLAF KANNST DU VOR- UND NACHHOLEN

„Ich muss dringend mal etwas Schlaf nachholen!" Das haben wir sicher alle schon mal gedacht. Tatsächlich ist das aber gar nicht so einfach.

Grund dafür ist die Funktionsweise des Schlafens, welche auf Plastizität und Automatizität beruht. Das bedeutet, dass du deine Schlafdauer lediglich indirekt beeinflussen kannst - etwa durch die Erzeugung idealer äußerer Bedingungen. 


Den Prozess des Einschlafens und Aufwachens steuert unser Körper immer selbst. Kommt es also nicht zu einer externen Unterbrechung, schläft dein Körper einfach so lange, bis er sich regeneriert hat.

Entsprechend funktioniert insbesondere das Vorschlafen nicht: Sofern dein Körper kein Schlafdefizit wahrnimmt, braucht er auch nicht mehr Schlaf als sonst

3. BLAUES LICHT LÄSST DICH SCHLECHTER SCHLAFEN

In der Theorie stimmt dieser Schlafmythos: Blaues Licht kennt unser Körper nämlich in erster Linie als Bestandteil des Tageslichts. Dies wiederum führt auf natürlichem Wege dazu, dass unser Körper die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin unterbricht. Werden wir nun auch nachts blauem Licht ausgesetzt, blockiert der daraus resultierende Melatoninmangel unseren Einschlafprozess [2]. 


In der Praxis wird es hier aber etwas tricky: Bei der schlafstörenden Wirkung von Blaulicht kommt es total auf die Tagesdosis an. Ob du persönlich zu viel blaues Licht abbekommst, hängt also in erster Linie von deinem individuellen Lebensstil ab. Falls du vermutest, dass Blaulicht ein Problem für dich ist, lohnt sich ein abendlicher Digital Detox oder der Kauf einer Brille mit Blaulichtfilter

4. DURCH SPORT AM ABEND SCHLÄFST DU SCHLECHTER

Das ist mit Einschränkungen richtig. Es stimmt, durch abendlichen Sport treibst du deinen Blutdruck und damit auch deinen Kreislauf in die Höhe. Das kann natürlich je nach Zeitpunkt des Workouts dazu führen, dass du aufgeputscht bist und nicht einschlafen kannst. 


Wichtig ist also, dass dein Workout spätestens 2 Stunden vor dem Zubettgehen endet. So hat dein Körper auch nach einem intensiven Training noch ausreichend Zeit, um runterzukommen. Außerdem regen manche Sportarten den Kreislauf mehr an als andere. Während du Kraftsport, Laufen oder HIIT direkt vor dem Schlafengehen meiden solltest, kannst du den sanften Yin Yoga- Flow ruhig noch einbauen.

5. ALKOHOL MACHT MÜDE

Alles eine Frage der Gene: Manche Menschen werden von Alkohol müde, andere aufgeputscht oder aggressiv. Dieser Schlafmythos ist also gewissermaßen eine Typfrage. So gibt es Menschen, die besondere Enzyme zum Alkoholabbau haben und Menschen, die diese nicht besitzen.

Träger des Alkohol-Dehydrogenase-Enzyms (ADH) zeigen bereits nach mäßigem Alkoholkonsum eine deutlich erhöhte Pulsrate, die innerhalb von wenigen Stunden zu Müdigkeit und Erschöpfung führt. Auf diese Weise wird nicht zuletzt auch der Alkoholkonsum der Betroffenen erheblich verringert [7].

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6. WAS IST DRAN AM MYTHOS "SCHÖNHEITSSCHLAF"?

Der sogenannte „Schönheitsschlaf“ ist überraschenderweise kein Mythos: Gesunder Schlaf lässt zumindest unser Hautbild um einiges attraktiver wirken. Grund dafür ist, dass sich die Feuchtigkeitsdepots des Bindegewebes im Schlaf auffüllen. Damit wirkt insbesondere die dünne Gesichtshaut glatter und damit jünger und gesünder


Auch Hormone wie Melatonin und Somatropin werden im Schlaf ausgeschüttet. Diese führen nicht zuletzt herbei, dass abgestorbene Hautzellen abtransportiert werden. Dieser Prozess findet vor allem in der Tiefschlafphase statt. Wenn diese entfällt oder verkürzt wird, bleibt auch der natürliche Erneuerungseffekt der Haut aus [4].

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7. ÄLTERE MENSCHEN BRAUCHEN WENIGER SCHLAF

Es stimmt, dass sich mit zunehmendem Alter auch unsere Schlafdauer verkürzt. Allerdings schlafen ältere Menschen nur unerheblich weniger als jüngere. Im Durchschnitt sind es lediglich 20 Minuten. 


Der Grund ist jedoch nicht, dass Senioren weniger Schlaf brauchen, sondern alterungsbedingte neuronale Veränderungen ihre Schlafqualität beeinträchtigen. Das führt dann oftmals zur sogenannten „Bettflucht“, auf die dieser Schlafmythos wahrscheinlich zurück geht [5]. 

8. SCHLAFEN IST DIE BESTE MEDIZIN 

Wenn du krank bist, raten dir die meisten Ärzte, einfach mal so richtig viel zu schlafen. Aber was hat es damit eigentlich auf sich? Mittlerweile wissen wir es: Schlaf fördert die Bildung und Freisetzung der sogenannten „T-Zellen“. Diese docken an die von Erregern befallenen Zellen an und machen sie auf diese Weise unschädlich. 

 

Eine gewisse Schlafdauer ist absolut essentiell, damit die T-Zellen ihre Arbeit machen können. So reichen nach Angaben der Forscher schon drei Stunden weniger Schlaf am Tag aus, um die T-Zellen und damit auch das Immunsystem zumindest kurzfristig zu schwächen [8]. 

9. SCHLAFEN IN KALTEN ZIMMERN IST AM GESÜNDESTEN

Es stimmt: Schlaftemperaturen zwischen 15,6 und 19,4 Grad Celsius sind für uns Menschen optimal. Grund dafür ist, dass auch deine Körpertemperatur im Ruhezustand ungefähr in diesem Bereich liegt. Ist es in deiner Umgebung hingegen wärmer oder kälter, muss dein Körper arbeiten, um die Differenz auszugleichen. 

 

Daher kommt es auch, dass viele Menschen im Sommer über unruhigen Schlaf klagen. Außerdem schüttet dein Körper bei niedrigeren Temperaturen automatisch mehr Melatonin aus. Somit wirst du abends auch schneller müde, da dein Körper sich hormonell bereits auf den Ruhezustand vorbereitet [9]. 

10. DER BESTE SCHLAF IST DER VOR MITTERNACHT

Guter und gesunder Schlaf muss vor Mitternacht gestartet werden - klare Sache oder? Nein, der Zeitpunkt des Einschlafens ist völlig egal. Das ergibt im Grunde auch sehr viel Sinn, wenn man bedenkt, dass wir Menschen alle unseren individuellen Schlaf- und Wach-Zyklus haben. 


Schlafforscher haben mittlerweile herausgefunden, dass die ersten vier Stunden Schlaf die erholsamsten sind. Das gilt für Frühaufsteher genauso wie für Nachteulen. Solange du also eine gute Mütze Tiefschlaf bekommst, ist es total egal, wann du in deine Schlafsession startest. Gültig bleibt allerdings die Beobachtung, dass die meisten Menschen zwischen 22 und 24 Uhr am schnellsten einschlafen können [6].


11. SCHWERES ESSEN LÄSST DICH SCHLECHTER SCHLAFEN 

Dieser Schlafmythos bekommt ein klares „Ja“. Es stimmt, dass schweres Essen viele von uns schlechter schlafen lässt. Grund dafür ist die körperliche Unruhe, die beim Zersetzungsprozess der Nahrung entsteht. 

 

Ist der Zersetzungsprozess nämlich durch ungesunde Fette oder viel Zucker erschwert, sendet unser Körper Signale des Unwohlseins wie etwa Übelkeit oder Völlegefühl. Diese nehmen wir unbewusst wahr, was unseren Schlaf wiederum unruhiger und weniger tief werden lässt.  

12. WER GÄHNT, IST MÜDE

Ganz klar ein falsches Gerücht! Der Gähnreflex hat nämlich viele unterschiedliche Funktionen. Unter anderem gibt es etwa Empathie-Gähnen, welches durch die sogenannten „Spiegelneuronen“ ausgelöst wird, weil jemand anders gähnt. Darüber hinaus hat sich mittlerweile auch die These etabliert, dass der Gähnreflex eine zusätzliche Versorgung des Körpers mit Sauerstoff anregen soll. 


Ein weiterer überraschender Effekt des Gähnens ist die Kühlung des Gehirns. Das konnte mittlerweile sowohl an Ratten als auch an Menschen nachgewiesen werden. Vermehrtes Gähnen tritt demnach insbesondere in heißen oder sehr stressreichen Umgebungen auf. Beide Faktoren sorgen für einen Anstieg der Körpertemperatur [3]. 

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3. FAZIT

Schlaf ist überlebenswichtig. Daher verwundert es nicht, dass es zu diesem Thema so viele unterschiedliche Mythen und Volksweisheiten gibt. Während manche davon zwar smart klingen, am Ende jedoch daneben liegen, überraschen wieder andere mit einem erstaunlich sicheren wissenschaftlichen Fundament. 


Klar, streng genommen sind Aussagen wie “Schlaf macht schön“ oder “Schlaf ist die beste Medizin“ natürlich nicht zu 100% richtig. Immerhin ist Medizin meist ein Mittel zum Einnehmen und Schönheit eine sehr subjektive Sache.

Trotz ihrer Pauschalität liegt jedoch beiden Sätzen letztlich eine sehr solide Argumentation zugrunde.


An vielen Schlafmythen ist also durchaus ein Fünkchen Wahrheit dran. Somit kannst du sie mit einigen Einschränkungen quasi wie Merksätze verwenden und damit für eine bessere Schlafroutine sorgen. Am Ende des Tages ist nämlich eine Sache ganz sicher: Ohne guten Schlaf geht bei uns Menschen nichts!

4. QUELLEN

[1] Harvey, A.; Payne, S. (2002), The management of unwanted pre-sleep thoughts in insomnia: distraction with imagery versus general distraction, Behavioral Research and Therapy, Volume 40, Issue 3, p. 267-277, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11863237/.  

[2] Wurtman, R. (2017). Physiology and available preparations of melatonin, UpToDate, www.uptodate.com/contents/physiology-and-available-preparations-of-melatonin

[3] Gupta, S.; Mittal, S. (2013),Yawning and its physiological significance, Volume 3, Issue 1, p. 11-15, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3678674/.  

[4] Oyetakin-Whitw, P.; Suggs, A.; [...]; Baron, E. D. (2015), Does poor sleep quality affect skin ageing, Clinical and experimental dermatology, Volume 40, Issue 1, p. 17-22, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25266053/.  

[5] Lim, A. S. P.; Ellison, B. A.; [...]; Saper, C. B. (2014), Sleep is related to neuron numbers in the ventrolateral preoptic/intermediate nucleus in older adults with and without Alzheimer’s disease Brain, Brain: a journal of neurology, Volume 137, Issue 10, p. 2847-2861, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25142380/.  



[6] Feriante, J.; Araujo, J., F. (2020), Physiology, REM Sleep, StatPearls, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK531454/.  

[7] McCarthy, D. M.; Pedersen, S. L.; Wall, T. M. (2010), ADH1B*3 and Response to Alcohol in African Americans, Alcoholism: Clinical & Experimental Research, Volume 34, Issue 7, p. 1274-128, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1530-0277.2010.01205.x.   

[8] Dimitrov, S.; Lange, T.; [...]; Besedovsky, L. (2019), Gαs-coupled receptor signaling and sleep regulate integrin activation of human antigen-specific T cells, Journal of Experimental Medicine, Volume 216, Issue 3, p. 517-526, https://rupress.org/jem/article/216/3/517/120367/G-s-coupled-receptor-signaling-and-sleep-regulate.  

[9] Harding, E. C.; Franks, N. P.; Wisden, W. (2019), The Temperature Dependence of Sleep, Frontiers in Neuroscience, Volume 13, p. 336, published online: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6491889/